3Threads und nebenläufige Programmierung
»Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.«
– Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v. Chr.– 65 n. Chr.), römischer Philosoph und Staatsmann
3.1Threads erzeugen
Die folgenden Abschnitte verdeutlichen, wie der nebenläufige Programmcode in einen Runnable verpackt und dem Thread zur Ausführung vorgelegt wird.
3.1.1Threads über die Schnittstelle Runnable implementieren
Damit der Thread weiß, was er ausführen soll, müssen wir ihm Anweisungsfolgen geben. Diese werden in einem Befehlsobjekt vom Typ Runnable verpackt und dem Thread übergeben. Wird der Thread gestartet, arbeitet er die Programmzeilen aus dem Befehlsobjekt nebenläufig zum restlichen Programmcode ab. Die Schnittstelle Runnable ist schmal und schreibt nur eine run()-Methode vor.
void run()
Implementierende Klassen realisieren die Operation und setzen dort den nebenläufig auszuführenden Programmcode ein.
Abbildung 3.1UML-Diagramm der einfachen Schnittstelle Runnable
Wir wollen zwei Threads angeben, wobei einer zwanzigmal das aktuelle Datum und die Uhrzeit ausgibt und der andere einfach eine Zahl:
Listing 3.1com/tutego/insel/thread/DateCommand.java
public class DateCommand implements Runnable {
@Override public void run() {
for ( int i = 0; i < 20; i++ )
System.out.println( new java.util.Date() );
}
}
Listing 3.2com/tutego/insel/thread/CounterCommand.java
class CounterCommand implements Runnable {
@Override public void run() {
for ( int i = 0; i < 20; i++ )
System.out.println( i );
}
}
Unser nebenläufig auszuführender Programmcode in run() besteht aus einer Schleife, die in einem Fall ein aktuelles Date-Objekt ausgibt und im anderen Fall einen Schleifenzähler.
3.1.2Thread mit Runnable starten
Nun reicht es nicht aus, einfach die run()-Methode einer Klasse direkt aufzurufen, denn dann wäre nichts nebenläufig, sondern wir würden einfach eine Methode sequenziell ausführen. Damit der Programmcode neben der eigentlichen Applikation läuft, müssen wir ein Thread-Objekt mit dem Runnable verbinden und dann den Thread explizit starten. Dazu übergeben wir dem Konstruktor der Klasse Thread eine Referenz auf das Runnable-Objekt und rufen start() auf. Nachdem start() für den Thread eine Ablaufumgebung geschaffen hat, ruft es intern selbstständig die Methode run() genau einmal auf. Läuft der Thread schon, so löst ein zweiter Aufruf der start()-Methode eine IllegalThreadStateException aus:
Listing 3.3com/tutego/insel/thread/FirstThread.java, main()
t1.start();
Thread t2 = new Thread( new CounterCommand() );
t2.start();
Beim Starten des Programms erfolgt eine Ausgabe auf dem Bildschirm, die so aussehen kann:
1
2
Tue Aug 21 16:59:58 CEST 2007
3
4
5
6
7
8
9
Tue Aug 21 16:59:58 CEST 2007
10
…
In meiner Ausgabe ist die Verzahnung der beiden Threads zu erkennen. Zwar ist innerhalb eines Threads durch die Schleife die Reihenfolge klar definiert, doch wann welcher Thread an der Reihe ist, ist frei. So sollte auch nicht verwundern, dass die erste Zeile in meiner Ausgabe vom Zähl-Thread kommt – dem eigentlich zweiten Thread. Das zeigt deutlich den Nichtdeterminismus[ 31 ](Nicht vorhersehbar, bedeutet hier: Wann der Scheduler den Kontextwechsel vornimmt, ist unbekannt.) bei Threads. Interpretiert werden kann die Ausgabe durch die unterschiedlichen Laufzeiten, die für die Datums- und Zeitausgabe nötig sind; bei der Datumsverarbeitung sind viel mehr Objekte nötig, sie aufzubauen dauert. Aber das ist ein Interna, welches bei der Reihenfolge nicht beachtet werden darf. Wer Thread-Ergebnisse in bestimmten Reihenfolgen erwartet, muss Threads synchronisieren – das ist Thema von Abschnitt 3.4, »Synchronisation über kritische Abschnitte«.
implements Runnable
Thread(Runnable target)
Erzeugt einen neuen Thread mit einem Runnable, das den nebenläufig auszuführenden Programmcode vorgibt.void start()
Ein neuer Thread – neben dem die Methode aufrufenden Thread – wird gestartet. Der neue Thread führt die run()-Methode nebenläufig aus. Jeder Thread kann nur einmal gestartet werden.
[»]Hinweis
Wenn ein Thread im Konstruktor einer Runnable-Implementierung gestartet wird, sollte die Arbeitsweise bei der Vererbung beachtet werden. Nehmen wir an, eine Klasse leitet von einer anderen Klasse ab, und der Konstruktor der Oberklasse startet einen Thread. Bildet die Applikation ein Exemplar der Unterklasse, so werden bei der Bildung des Objekts immer erst die Konstruktoren der Oberklasse aufgerufen. Dies hat zur Folge, dass der Thread schon läuft, auch wenn das Objekt noch nicht ganz gebaut ist. Die Erzeugung ist erst abgeschlossen, wenn nach dem Aufruf der Konstruktoren der Oberklassen der eigene Konstruktor vollständig abgearbeitet wurde.
3.1.3Die Klasse Thread erweitern
Da die Klasse Thread selbst die Schnittstelle Runnable implementiert und die run()-Methode mit leerem Programmcode bereitstellt, können wir auch Thread erweitern, wenn wir eigene nebenläufige Aktivitäten programmieren wollen:
Listing 3.4com/tutego/insel/thread/DateThread.java, DateThread
@Override public void run() {
for ( int i = 0; i < 20; i++ )
System.out.println( new java.util.Date() );
}
}
Dann müssen wir kein Runnable-Exemplar mehr in den Konstruktor einfügen, denn wenn unsere Klasse eine Unterklasse von Thread ist, reicht ein Aufruf der geerbten Methode start().
Danach arbeitet das Programm direkt weiter, führt also kurze Zeit später die nächste Anweisung hinter start() aus:
Listing 3.5com/tutego/insel/thread/DateThreadUser.java, main()
t.start();
new DateThread().start(); // (*)
Die (*)-Zeile zeigt, dass das Starten sehr kompakt auch ohne Zwischenspeicherung der Objektreferenz möglich ist.
implements Runnable
void run()
Diese Methode in Thread hat einen leeren Rumpf. Unterklassen überschreiben run(), sodass sie den nebenläufig auszuführenden Programmcode enthält.
Abbildung 3.2UML-Diagramm der Klasse Thread, die Runnable implementiert
Überschreiben von start() und Selbststarter
Die Methode start() kann von uns auch überschrieben werden, was aber nur selten sinnvoll bzw. nötig ist. Wir müssen dann darauf achten, super.start() aufzurufen, damit der Thread wirklich startet.
Damit wir als Thread-Benutzer nicht erst die start()-Methode aufrufen müssen, kann sich ein Thread auch selbst starten. Der Konstruktor ruft dazu einfach die eigene start()-Methode auf:
DateThread() {
start();
}
// ... der Rest bleibt ...
}
statt start() wurde run() aufgerufen – ja, wo laufen sie denn?
Ein Programmierfehler, der Anfängern schnell unterläuft, ist folgender: Statt start() rufen sie aus Versehen run() auf dem Thread auf. Was geschieht? Fast genau das Gleiche wie bei start(), mit dem Unterschied, dass die Objektmethode run() nicht nebenläufig zum übrigen Programm abgearbeitet wird. Der aktuelle Thread bearbeitet die run()-Methode sequenziell, bis sie zu Ende ist und die Anweisungen nach dem Aufruf an die Reihe kommen. Der Fehler fällt nicht immer direkt auf, denn die Aktionen in run() finden ja statt – nur eben nicht nebenläufig.
Erweitern von Thread oder Implementieren von Runnable?
Die beste Idee wäre, Runnable-Objekte zu bauen, die dann dem Thread übergeben werden. Befehlsobjekte dieser Art sind recht flexibel, da die einfachen Runnable-Objekte leicht übergeben und sogar von Threads aus einem Thread-Pool ausgeführt werden können. Ein Nachteil der Thread-Erweiterung ist, dass die Einfachvererbung störend sein kann; erbt eine Klasse von Thread, ist die Erweiterung schon »aufgebraucht«. Doch egal, ob eine Klasse Runnable implementiert oder Thread erweitert, eines bleibt: eine neue Klasse.